Wie retten wir das Lebendige und nicht „nur“ das Leben?
Unter dem Vorwand, möglichst viele Leben in der Corona-Krise retten zu wollen, riskiert man das Lebendige und damit wiederum das Leben. Eines vorab und unmissverständlich: Jedes einzelne Leben bedarf keiner Rechtfertigung und ist an sich schützenswert!
Was aber bedeutet Leben?
Nicht tot zu sein?
Lange und immer länger zu leben?
Was aber, wenn wir hier das falsche Pferd satteln und im Blindflug auf Klippen zu galoppieren? Heißt nicht Leben etwas ganz anderes?
Möglichst viele wahrhaftig und intensiv erlebte Momente!
Viele liebevolle und existentielle Begegnungen!
Echte Trauer und echte Freude!
Elementares allemal!
Ist dann „Lebenszeit“ nicht nur in Stunden und Jahren zu messen, sondern eher in einer Skala der wirklich intensiven Lebensmomente? Kann ein Leben nur als gelungen betrachtet werden, wenn ich mindestens 90 Jahre alt werde? Was aber, wenn dieses Leben leer und einsam war?
Kinder sind systemrelevant
Kinder, die systemrelevanteste Gruppe schlechthin (bei einem Schiffs- und Flugunglück gilt noch immer der Grundsatz aus dem Jahre 1852: Kinder und Mütter sind zuerst zu retten!!) sind in den letzten, den Corona-Wochen unter den Tisch gefallen. Wer spricht über ihre Nöte, ihre Fragen, ihre Unsicherheit? Die Erwachsenen, noch immer fest davon überzeugt, alles besser zu wissen, reden höchstens klug über die Notwendigkeit von digitaler Bildung, die Form von zukünftigem hygienischen Betreuungsangeboten oder sind über die Maßen mit sich selbst beschäftigt. Wenn wir aber über Zukunft sprechen, und das sollten wir jetzt dringend alle tun, dann müssen wir vor allem über die Kinder reden und was sie brauchen, um sich später dann als gestaltende Erwachsene in der komplizierten Welt zurecht zu finden.
Was brauchen Kinder für ihre gelingende Zukunft?
In aller ersten Linie brauchen sie Liebe!! Und möglichst viel davon! Am besten von ihrer Familie, den Eltern und Geschwistern und dann auch von den anderen Erwachsenen, denen sie anvertraut wurden oder denen sie sich anvertrauen.
Und dann brauchen sie, mehr denn je, elementare Erfahrungen. Nur so können sie das nötige Weltvertrauen aufbauen, was sie dann durchs Leben trägt.
Elementare Erfahrungen bedeutet mit Wind und Wetter, der Natur, den Elementen, allen Lebewesen, Gefahren und Herausforderungen in Berührung zu kommen, sie zu erleben und schließlich zu begreifen.
All das kann man in einem Wort fassen: dem freien Spiel.
Was erleben Kinder stattdessen in der Corona-Krise?
Was heute eh schon, und in der Corona-Krise im Besonderen geschieht, ist genau das Gegenteil!
Isolierung und Digitalisierung. Erlebnisärmer geht kaum.
So schaden wir nicht nur den Kindern in der Jetztzeit, nein, so nehmen wir billigend in Kauf, dass unsere Zukunft, eine lebenserfüllte Zukunft gefährdet ist.
Wollen wir denn wirklich in einer leblosen, sterilisierten, isolierten und kontrollierten Zukunft immer länger leben? Ist das unser Ziel?
Wenn man in die leuchtenden Kinderaugen (es gibt nichts Schöneres auf der Welt, keinen Sonnenuntergang, keine Symphonie und nicht einmal den intensivsten Liebesakt) schaut, wenn diese in ihrem ureigenen Spiel begriffen sind und dabei die Welt erobern, weiß man, die Kinder und zukünftigen Erwachsenen wollen das nicht!
Wir Erwachsenen verantworten die Situation der Kinder
Wir machen uns schuldig, wenn wir den Kindern ihre Zukunft, ihre lebendige, erfahrungsreiche und elementare Zukunft verbauen (und auf dem Altar der Unsterblichkeit opfern)!
Wachen wir endlich auf und stellen uns in den Dienst der Kinder!
Begleiten wir sie demutsvoll auf ihrem Weg. Nicht besserwisserisch, sondern neugierig und liebevoll.
Dafür braucht es eine offene Gesellschaft, die verschiedene Meinungen, Ideen und Wege zulässt und diese in einem konstruktiven Diskurs immer wieder abwägt und nach den besten Lösungen sucht.
Hygiene- und Abstandsregeln, Überwachung und Druck, rein digitale Schulen und Kindergärten mit Impfpflicht sind da sicher nicht die richtige Antwort.
Unser Leben war einst das eines Kindes. Warum vergessen wir das?
Unser Leben ist doch sinnlos, wenn wir nicht alles daran setzen, dass Leben der Kinder auf der ganzen Welt zu schützen und zu hüten. Dieses Leben ist mehr denn je in Gefahr.
Solange Kinder noch durch Hunger und Kriege sterben, Kinder vernachlässigt werden, oder durch häusliche Gewalt in Mitleidenschaft gezogen werden, ist es ein Hohn und eine unerträgliche Doppelmoral, wenn wir, welches Leben auch immer durch die gerade angesetzten und z.T. gegen die Freiheitsrechte der Menschen verstoßenden Maßnahmen zu retten versuchen!
Wir Erwachsenen sind mehr denn je aufgerufen uns noch einmal genau vor Augen zu führen, wie wir als Kind gerne aufgewachsen wären, oder im besten Fall sind.
Orientierung am Kind als Maxime für unsere Entscheidungen
Ermöglichen wir den Kindern mit aller uns zu Verfügung stehender Kraft Lebensräume in lebendig gestalteten Kitas und Kindergärten, in Schulen, Ausbildungseinrichtungen und letztendlich in kindgerechten Städten.
Es ist an der Zeit, die Vision von der bespielbaren Stadt umzusetzen.
Hier können sich Kinder frei entfalten, ihr Umfeld ganz nach ihrem ureigenen Mut und Willen erobern, soziale Kontakte aufbauen und die Natur lieben und schützen lernen.
Nehmen wir die jetzige Krise zum Anlass umzudenken.
Wachstumswahn, Verschwendung der Rohstoffe, Umweltzerstörung, Egoismus, haben uns erst diese Krise beschert.
Eine am Kind orientierte Gesellschaft kann hier Abhilfe schaffen. Ich wage den Zusatz: Nur eine am Kind orientierte Gesellschaft kann die Kehrtwende in eine hoffnungsvolle und vor allem lebendige Zukunft gestalten.